NIL Philosophie
Die Verflechtung von Differenzen
Man müsste eigentlich sehr weit ausholen, wenn man über das Café NIL nachdenkt. So weit, dass man gleichzeitig mit einer Art soziokultureller Anatomie des Nils konfrontiert wäre. Also ein Sinnieren über die geschichtliche sowie gegenwärtige, kulturübergreifende Struktur, Funktion und Bedeutung des Nils. Letztlich ginge es vielleicht auch um eine poetisch-mythologische Dimension des belebenden Stroms in Afrika.
Im „Fluss der Götter“ begegnen wir nämlich einer mysteriösen Verschränkung zwischen Mythos und Wahrheit. Es ist nicht nur der längste Fluss der Erde, sondern inspiriert, erschließt, nährt, moduliert und verwebt unterschiedliche Kulturen, Menschen, Familien, Gesellschaften, Wüstenlandschaften, Sumpfgebiete, Städte, Länder und Zivilisationen – bis er sich in Ägypten zum Nildelta auffächert und in das Mittelmeer mündet. Jenes Meer, welches eine organische Schnittstelle zwischen Orient und Okzident bildet und graduell die Küsten, Verdichtungsräume und Ballungsgebiete des Mittelmeerraumes kreiert.
Darüber hinaus fungiert der Nil als Katalysator für wirtschaftliche und soziale Interaktionen. Seine fruchtbaren Ufer unterstützen die Landwirtschaft und bieten unterschiedlichen Gemeinschaften entlang seines Verlaufs Nahrung und Lebensgrundlagen. Diese gegenseitige Abhängigkeit schafft Möglichkeiten für Zusammenarbeit, Kooperation, Wissenstransfer und gemeinsamen Wohlstand. Handelsrouten, beeinflusst durch die Strömung des Flusses, haben den Austausch von Gütern und Ideen ermöglicht und somit interkulturelle Beziehungen gefördert und ein Gefühl der Einheit geschaffen.
Die interkulturelle, fruchtbare und vielfältige Identität des Nils birgt allerdings noch viel mehr. An seinen Ufern entdecken wir die Alchemie der Verwandlung von Natur zu Kultur und wie diese eine der frühesten Hochkulturen entstehen lässt. Nicht nur für die Geschichte Ägyptens ist nun der Nil maßgeblich, sondern ebenso für die Bildung der gegenwärtigen landwirtschaftlichen Grundlage. Im Nil verorten wir daher eine emblematische und multimodale Strategie des Verflechtens welche aufzeigt wie Beständigkeit & Erneuerung eine kreative Symbiose bilden können.
Geschichte wird nicht gelöscht, sondern – durch das Neue – rekontextualisiert.
Stein trifft Farbe und Stoff.
Monumentalität trifft Flexibilität.
Vintage trifft Postmoderne.
Orient trifft Okzident.
Kultur trifft Spiel.
Eine neue Identität kommt graduell zum Vorschein.
Im Nilschlamm verbindet sich die Fruchtbarkeit des Nils mit der schöpferischen Kraft des Skarabäus. Die Befreiung und schnelle Vermehrung dieses Käfers im Nilschlamm, nach der Nilschwemme, führte zur Meinung, er entstehe ohne Fortpflanzung, weswegen er als Symbol der Schöpferkraft, des Glücks und der Auferstehung galt.
Wenn man mit dem Nil buchstäblich mitfließen würde und in den Bergen von Ruanda und Burundi über Tansania, Uganda, den Südsudan, den Sudan und über Ägypten in das Mittelmeer mündete, dann würden wir all die durchflossenen kulturellen Differenzen in der vielfältigen Einheit des Nils wahrnehmen.
Das neue Café NIL entwirft daher die Küche, analog zum Nil, als kulturübergreifende bzw. als intergeographische Einheit und somit als Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Kulturen. Das neue NIL wird zu einem interkulturellen Raum der Begegnung und des Austausches. Wir möchten all jenen Menschen mit heterogenen Kulturhintergründen einen hybriden Raum der Begegnung und des Austausches bieten, welcher deren Diversität widerspiegelt.
Genaugenommen ist dies ein Raum für alle Menschen. Denn die Analyse unserer Gene zeigt, dass diese Spuren der Zuwanderung und Durchmischung vieler unterschiedlicher Kulturen in sich tragen. Wir möchten daher mit dem NIL kommunizieren, dass Kultur ein amorphes und dynamisches Phänomen ist mit welchem man spielerisch und experimentell umgehen kann. Jeder Mensch kann sich im neuen NIL „zuhause“ fühlen.
Interkulturelle Speisen und Atmosphären definieren daher die Grundelemente unserer Philosophie und Identität. Das neue NIL Design stellt eine Materialisierung dieser Philosophie dar. Unterschiedliche Farben, Texturen, Materialien und Gestaltungselemente werden mit einem zelebrierenden Lichtkonzept verwoben und zu einer neuen Innenarchitektur, mit vielfältigen Referenzen, geformt. Wir interpretieren Gastronomie als ein kulinarisches Zelebrieren unseres vielfältigen Seins. Die Anwesenheit vieler unterschiedlicher Menschen vervollständigt ein ergebnisoffenes und lebendiges Gemälde welches in fortwährender Entstehung fließt und verfließt. Kulturelle Grenzen sowie jene zwischen Mythologie und Realität verschwimmen.
Neben unseren interkulinarischen Kompositionen möchten wir jungen Künstler*innen Möglichkeiten bieten, unterschiedliche Aspekte ihrer Kunst im Café NIL zu präsentieren. Wir sind davon überzeugt, dass eine authentische Interkulturalität nur durch eine parallele Förderung der zeitgenössischen Künste möglich ist, zumal die freie künstlerische Artikulation eine grenzüberschreitende Natur besitzt. Ein buntes Miteinander wird dadurch ermöglicht und Differenzen werden zu einem interkulturellen Geflecht sanft verwoben.
Alles bleibt im Fluss.